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Fördern und fordern

„Wie fördern wir Kinder, denen das Lernen schwer fällt?“ Diese Frage war viele Jahre ein Schwerpunkt in meiner Arbeit. „Die „Guten“, die kommen schon klar!“ so dachte ich und gehörte damit selbst in die förderbedürftige Gruppe. Inzwischen habe ich diesen Rückstand etwas aufgeholt.

Ich habe gelernt, meinen Blick für Kinder mit Entwicklungsvorsprung oder mit besonderer Begabung zu öffnen und ihnen anregende und fordernde Angebote bereitzustellen. Dadurch können diese Kinder nach 1 oder 1 1/2 Schulbesuchsjahren in die 3. Klasse wechseln oder sich innerhalb der Regelzeit von 2 Jahren mit Lernangeboten befassen, die ihrer besonderen Interessenlage entsprechen.

Bei Gesprächen mit Kollegen und auch mit Eltern wird dies oft nicht als erstrebenswert angesehen: „Dann ist mein Kinder in der 10. Klasse 14 und darf sich noch gar nicht für eine Ausbildung bewerben.“, „Wenn er jetzt vorzeitig in die 3. Klasse wechselt und die Leistungen dann später irgendwann absinken, können wir ihm das Jahr nicht zurückgeben.“, „Dann fehlt mir ja meine Leistungsspitze, wenn ich die guten Schüler so stark fördere, dass sie ein Jahr überspringen können.“, „Der kann ja noch nicht einmal sauber schreiben und etwas langsam ist er auch noch, da nützt die ganze Klugheit nichts.“ …….

Es fällt mir zugegebener Maßen oft schwer, überzeugende sachliche Argumente anzubringen. Mein Hauptargument ist, dass den Kindern die Lernlust erhalten bleibt, wenn sie nach ihrem eigenen Tempo und auch nach ihren speziellen Interessen lernen dürfen.

Wie öde ist es doch, ewig den gleichen Lernbrei konsumieren zu müssen, weil sich der Lehrer an den langsamsten Lernern orientiert. Selbst das Lerntempo des Mittelfeldes bremst den Wissensdurst der begabteren Kinder.

Im Augenblick ist es in meiner Klasse so, dass das schnellste Kind zum 2. Halbjahr in die 3. Klasse gewechselt ist und dort bisher wunderbar zurechtkommt. Ein Kind, das besonders Mathematik-vernarrt ist, hat die Lerninhalte der 2. Klasse „durchgearbeitet“ und beschäftigt sich zur Zeit mit verschiedensten Knobelangeboten.

Nun stecke ich in der Zwickmühle: Lasse ich dieses Kind jetzt schon im Tausenderraum rechnen? Dann hat er bis zum Schuljahresende die Hälfte der Lerninhalte der 3. Klasse für sich erobert und es wird für ihn im kommenden Schuljahr schwierig langweilig.
„Das kann er ruhig noch einmal mitmachen. Das schadet ihm nichts.“ So oder ähnlich werde ich diesen Satz dann von der Kollegin hören, die die Kinder ab Klasse 3 übernimmt.

Nun habe ich mich vorübergehend aus dieser Zwickmühle befreien können. Ich habe dem Kind gezeigt, dass er mit seinen Kenntnissen der Malfolgen auch große Zahlen multiplizieren kann, wenn er das Montessori-Multiplikationsbrett nutzt. So kann er im Tausenderraum und darüber hinaus rechnen, ohne dass ich das halbschriftliche und das schriftliche Verfahren der Multiplikation für ihn erklärt hätte.

Aber das Schuljahr ist noch lang. Wie soll es mit meinem Mathe-As weitergehen?

Was macht ihr mit euren besonders begabten Kindern, mit Fachspezialisten und Alleskönnern?

Das wunderschöne Multiplikationsbrett hat mir übrigens meine liebe Schwester genäht. Das Teil ist so viel toller, als das Originalmaterial aus Holz.